WerkstattAtelier
Peter Krullis
Ist die Sorge / Empörung von Jüdinnen und Juden gerechtfertigt, wenn es um die aktuellen Entwicklungen gesellschaftlichen und politischen Lebens im Zusammenhang mit Antisemitismus in Deutschland geht?
Fast einheitlich wurde diese Frage mit beantwortet – stellvertretend einige Äußerungen zusammengefasst:
Ja, die Sorgen sind berechtigt und es ist sehr wichtig, das sehr stark zu thematisieren. Vor dem historischen Hintergrund des Faschismus in Deutschland ist (erneuter) Antisemitismus besonders erschreckend. Die jüngsten Anschläge und Angriffe (z.B. Halle), die antiisraelischen und antijüdischen Kundgebungen, das Erstarken der AfD und rechtsextremer Strömungen und Gruppierungen rechtfertigen absolut diese Sorge und Empörung. Es ist nicht normal, dass jüdische Einrichtungen bewacht werden müssen, das sagt schon viel über die Bedrohungen, die absolut real sind.
Es ist dringend nötig, in Gesprächen und medial (auch durch solche Projekte) mehr und immer wieder Aufklärungsarbeit zu leisten (z. B.: Der Staat Israel und seine Politik sind nicht „die Juden“!) und für mehr Austausch zu sorgen, damit christliche, muslimische, jüdische usf. Deutsche einander besser kennen- und respektieren lernen. Es ist wichtig, dass wir alle in diesem Zusammenhang aufmerksam sind!
Antisemitismus sollte in keiner Form erlaubt noch salonfähig werden.
Man muss sofort gegen Vorurteile und Drohungen handeln, ehe sie sich etablieren können. Worte die “unakzeptabel” waren und sind und jetzt wieder benutz werden, schleichen sich in das Gedankengut der Gesellschaft und machen vieles wieder mehr “akzeptabel” – auch Handlungen. Man muss es als Mitbürger*in Mitmenschen direkt auf den Kopf zusagen, wenn man Zeuge von so etwas ist. Zuschauen und nicht handeln ist Mitschuld.
Radikaler Rassismus startet immer verbal und ist ein schleichender Prozess bis hin zur Tat. Es ist völlig inakzeptabel, dass jüdische Menschen in der Öffentlichkeit Angst haben müssen, sich zu ihrem Ursprung und zu Ihrer Religion zu bekennen (z.B. durch Kippa tragen oder eines Davidsterns).
Eine Meinung thematisiert folgendes: Die Deutschen sind nach dem 2. Weltkrieg immer auf dem rechten Auge blind gewesen. Zu viele Alt Nazis wurden wieder in ihre Ämter gesetzt. Und heutzutage in den sozialen Netzwerken darf man ja auch alles verbreiten und muss sich für nichts zur Rechenschaft ziehen lassen. Ekelhaft. Deswegen sind solche Projekte besonders wichtig.
Es wurde jedoch auch vereinzelt gesagt:
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Die Mehrheitsgesellschaft ist meiner Einschätzung nach solidarisch mit den Mitbürger*innen jüdischen Glaubens.
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Kann ich nicht einschätzen. Vermutlich schon. Es wird jedoch auch publizistisch sofort skandalisiert, was bei anderen menschenfeindlichen Vergehen nicht in dem Maß geschieht. Vielleicht wird deshalb Antisemitismus „überdurchschnittlich“ wahrgenommen?
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Empörung ja, denn schon eine einzige Tat reicht, um Erinnerungen an ein großes Trauma und neue Angstgefühle zu wecken. Sorge vor einer neuen Eskalation ist verständlich, aber nach meiner Einschätzung nicht realistisch, denn der deutsche Staat kann und will sich einen breiten Antisemitismus nicht leisten, er würde außenpolitisch seine Glaubwürdigkeit verlieren.